Abstract
„And say the animal thinks back? Joseph Beuys, Little John und die Theatertierforschung“
Ein weißer, fast leerer Raum mit drei Fenstern, Stroh, Zeitungen und
Filz auf dem Boden, im Raum zwei Lebewesen, nebeneinander und
aufeinander bezogen: Eine Filzskulptur, aufgerichtet; der eingewickelte
Mann ist auf diesem Bild nicht zu sehen. Ein aus der Skulptur
herausragender Hirtenstab. Ein Kojote zerrt mit den Zähnen am Filz. –
New York, 409 West Broadway, Galerie René Block, 23. bis 25. Mai 1974.
Der Mann: Joseph Beuys. Der Kojote: Little John. Die Photographin:
Caroline Tisdall. –
Die von Beuys, Little John und Tisdall produzierten ikonischen Bilder
begleiten seit 1974 den Diskurs über Mensch und Tier sowie deren
Begegnung, Kommunikation und Konfrontation. Die Aktion I like America
and America likes me ist ein kanonisches Beispiel für bildende und
performative Kunst, die mit und mittels lebendiger Tiere Wirkungen und
Bedeutungen erzeugt. Darüber hinaus gilt die Aktion theaterhistorisch
als eine Urszene der Performancegeschichte und muss infolge der
Theatergeschichtsschreibung als eine Schlüsselszene der
Performancetheorie betrachtet werden.
Der Vortrag untersucht, wie sich in dieser Aktion Präsenz- und
Performativitätsemphase treffen und verbinden. Er geht diskurshistorisch
der Frage nach, wie die Aktion im Wandel der wissenschaftlichen
Aufmerksamkeit immer neu wahrgenommen, beschrieben und gedeutet wurde –
insbesondere im Zuge des sogenannten Animal Turn, mit dem eine
Verschiebung der Aufmerksamkeit von Beuys hin zu Little John
programmatisch wurde. Der Vortrag fragt damit nach der Konstitution des
Phänomens Theatertier wie auch jener der Theatertierforschung. Er
verbindet diese Überlegungen mit der Frage nach einem dekolonialisierten
Theatertier, das nicht nur zurückblickt, sondern zurückdenkt.