Zensur der italienischsprachigen Literatur in der Habsburgermonarchie, 1750–1918
Zensur der italienischsprachigen Literatur in der Habsburgermonarchie, 1750–1918
- OENB Jubiläumsfonds Projekt P 16069
- Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Norbert Bachleitner
- Projektmitarbeiter: Univ.-Ass. Dr. Daniel Syrovy
- Laufzeit: 01.10.2014–30.09.2017
An der Schnittstelle zwischen italienischer Literaturgeschichte und der Geschichte der Habsburgermonarchie, politisch vom Widerspruch zwischen Einigungsbemühungen und nationalistischen Tendenzen geprägt, versucht unser Projekt eine umfassende Darstellung der Art, wie die Bücherzensur das literarische Feld der Zeit geformt und beeinflusst hat, wobei besonders die Phase der österreichischen Hegemonie in Lombardo-Venetien 1815-1859/66 im Mittelpunkt steht.
Sowohl die Buchproduktion innerhalb der Monarchie als auch die Verbreitung von importierten Büchern wurde damals von offizieller Seite genau überwacht; das Korpus der italienischsprachigen Literatur exemplifiziert zusätzlich die Arbeitsweise der staatlichen Bücherzensur, und dies aus verschiedenen Gründen:
Zunächst fällt die Kontrolle der literarischen Produktion auf habsburgischem Boden – von der Etablierung der staatlichen Zensur 1751, während ihrer repressivsten Phase in den Jahrzehnten vor 1848 und in einer weniger extremen Form bis 1862, mit Österreichs politischer Präsenz in italienischsprachigen Gebieten zusammen. Selbstverständlich ist das bis zum Ersten Weltkrieg der Fall, wobei bis dahin noch hunderte Verbote auf Basis des Strafrechts erwirkt wurden. Zusätzlich wurden ausländische italienischsprachige Werke wie alle anderen Bücher beim Überschreiten der Grenzen kontrolliert bzw. zensiert.
Vor allem sind umfangreiche Recherchen in den Staatsarchiven von Mailand und Venedig vorgesehen, wo zahlreiche Materialien zu den Zensurvorgängen erhalten sind, die es erlauben, die praktischen Aspekte der habsburgischen Zensur zu rekonstruieren, im Speziellen der Manuskriptzensur – eine reiche Informationsquelle, die von der Literaturgeschichtsschreibung bislang kaum ausgewertet wurde.
Besonders im Fokus der Untersuchungen ist jedoch die italienischsprachige Buchproduktion, die sich in wesentlicher Hinsicht von der genau überwachten Wiener Literaturszene unterscheidet. Die teils autonom, teils zentralisiert geführte Zensur der Provinzen galt für Kaiser Franz I, Staatskanzler Fürst Metternich und Polizeipräsident Sedlnitzky als nachlässig und somit verdächtig. Gleichzeitig erlaubten lange Kommunikationswege oftmals die Umgehung der Zensur.
Im Allgemeinen ist das Untersuchungsobjekt die Beeinflussung der Kommunikation in Italien; mehrere Einzelstudien verbotener bzw. veränderter Werke sollen dabei die bibliographischen und verwaltungsgeschichlichen Aspekte ergänzen. Damit werden die unterschiedlichen Grade an Effizienz der Zensurbehörden verdeutlicht, beim Versuch, die Produktion, Verbreitung und Zirkulation der Literatur innerhalb der Grenzen der Monarchie vollständig zu kontrollieren.
Zensurdokumente der Habsburgermonarchie 1751–1848 (Hg. Daniel Syrovy, 2018)
I. Gesetzestexte
1. Italienische Gebiete der Habsburgermonarchie
- Piano della Censura de' Libri (Österreichische Lombardei, 30.12.1768)
- Piano per la Censura de' Libri (Österreichische Lombardei, 13.12.1787)
- das sog. 'Avviso', Auszüge zur Neuregelung der Bücherzensur (Österreichische Lombardei, 30.4.1788)
- Piano per La Censura de' Libri (Veneto, 1798)
- Giuseppe Carpani: Discorso Preliminare und Piano Generale di Censura (Veneto, 1801/1802)
- Giuseppe Carpani: 'Massime...', provisorische Regelung der Theaterzensur (Veneto, 1804)
- Piano Generale di Censura de' Libri von 1816 in der Druckfassung 1841 (Lombardische Provinzen, 1.5.1816 mit Ergänzungen); Anm.: für die Provinzen des Veneto galt ab 15.6.1815 eine mit dem Grundtext von 1816 in der Lombardei übereinstimmende Regelung
- 21 Erlässe und Rundschreiben aus dem Veneto, die Bücherzensur, den Buchhandel und den Buchdruck betreffend (1813-1833)
2. Wien und die anderen Teile der Monarchie
Der Anhang von Norbert Bachleitner: Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848 (Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2017, hier als Open Access Datei), S. 416-477 enthält die wesentlichen Zensurgesetze, Erlässe und Richtlinien für Wien:
- Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission (Februar 1762)
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur betreffend (15.3.1770)
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14.2.1772)
- Zensurverordnung Josephs II. (1.6.1781)
- Hofdekret 1790 [Zensuranweisung Leopolds II.]
- Hofdekret 1795 [Zensurordnung 1795]
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795)
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5.12.1803
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens... vom 14.9.1810
II. Weiterführende Zensurdokumente
- Entwürfe für Zensurinstruktionen der Österreichischen Lombardei, 1795
- Des Leiters der Polizeihofstelle Ohms „Allerunterthänigste Note die Censurs-Anstalten für die Venezianischen Provinzen betreffend" (Wien/Veneto, 1803)
- Zensurprotokolle Mailand (1816-1837); Anm.: Die Zensurprotokolle sind im Mailänder Staatsarchiv (ASM) nicht vollständig vorhanden. Die hier angeführten sind Fundstücke aus diversen Kontexten, die den jeweiligen Akten beiliegen.
- Zensurgutachten des Polizeipräsidenten Graf Sedlnitzky zum Manuskript von N. Cotta Morandini "Natura e Sistema amministrativo della Monarchia Austriaca" (Wien, Juli 1824)